Wenn du ständig aufschiebst, gehörst du zu einem dieser 4 Typen – welcher bist du?

Die überraschende Psychologie hinter Prokrastination – Warum du heute noch nicht angefangen hast

Kennst du das Gefühl? Du sitzt am Schreibtisch, die Steuererklärung liegt bereit, und plötzlich wird das Aufräumen des Schreibtisches zur wichtigsten Aufgabe der Welt. Oder du willst mit dem Sport anfangen und beendest erst noch eine Netflix-Serie. Willkommen im Club der Prokrastinierer – einem Verein, dem laut Studien bis zu ein Viertel der Erwachsenen regelmäßig angehört.

Aber bevor du dich schlecht fühlst: Prokrastination ist keine einfache Charakterschwäche, sondern ein komplexes, psychologisch erklärbares Verhalten, das tief in unserem Gehirn verankert ist. Und das Beste daran? Wer versteht, was dahintersteckt, kann gezielt dagegen vorgehen.

Was passiert im Gehirn, wenn wir prokrastinieren?

Man kann sich das Gehirn wie ein Duo aus zwei unterschiedlichen Stimmen vorstellen: Das limbische System steht für kurzfristige Lustbefriedigung und emotionale Impulse – quasi der impulsive Partyfreund, der dir vorschlägt, lieber Social Media zu checken, statt deine Präsentation fertigzustellen.

Dem entgegen steht der präfrontale Kortex, zuständig für Planung, Impulskontrolle und Rationalität – der nüchterne Denker, der weiß, dass die Präsentation morgen früh fertig sein muss. Bei Prokrastination gewinnt oft das limbische System, weil es kurzfristige Belohnung über langfristige Ziele stellt.

Der Psychologe Dr. Tim Pychyl hat in seinen Studien gezeigt: Aufschieben dient häufig der Vermeidung negativer Gefühle wie Angst, Selbstzweifeln, Langeweile oder Überforderung. Statt faul zu sein, versucht unser Gehirn kurzfristig den emotionalen Druck zu mindern – auf Kosten unseres künftigen Ichs.

Die vier Prokrastinations-Typen: Welcher bist du?

Nicht jeder schiebt aus den gleichen Gründen auf. Die Psychologin Dr. Linda Sapadin beschreibt vier besonders häufige Typen:

  • Der Perfektionist: Du beginnst nicht, weil du Angst hast, nicht gut genug zu sein. Der Anspruch an Perfektion blockiert den Start – lieber nichts tun, als „nur okay“ zu liefern.
  • Der Träumer: Du liebst Visionen, aber findest die alltäglichen Schritte dahin langweilig. Große Pläne, aber keine Umsetzung – das beschreibt dich perfekt?
  • Der Besorgte: Die Furcht vor Fehlern, Bewertung oder Veränderungen lähmt dich. Entscheidungen ziehst du hinaus, aus Angst vor der falschen Wahl.
  • Der Trotzige: Du hältst dich ungern an Regeln – selbst deine eigenen. Zeitpläne empfindest du als Zwang, und rebellierst gegen Vorgaben, selbst wenn sie sinnvoll sind.

Prokrastination in Deutschland: Ein besonderes Verhältnis

In Deutschland wurde Prokrastination sogar mit dem umgangssprachlichen Begriff „Aufschieberitis“ geadelt. Gleichzeitig gelten Ordnung und Pünktlichkeit als gesellschaftliche Tugenden – dieses Spannungsfeld begünstigt innere Konflikte.

Laut einer Studie der Universität Münster aus dem Jahr 2019 zeigen etwa 20 % der Erwachsenen hierzulande ein problematisches Aufschiebeverhalten. Besonders betroffen sind Menschen zwischen 25 und 35 Jahren – eine Lebensphase, in der viele zentrale Entscheidungen anstehen.

Ein zusätzlicher Einflussfaktor: der kulturell verbreitete Perfektionismus. Wer glaubt, alles müsse „richtig“ gemacht werden, neigt zur sogenannten „Analyse-Paralyse“: Man verliert sich in Gedankenschleifen, statt ins Handeln zu kommen.

Warum Prokrastination süchtig machen kann

Das Gefährliche: Prokrastination fühlt sich kurzfristig gut an. Wenn du statt der unangenehmen Aufgabe etwas Angenehmes tust, wird Dopamin ausgeschüttet – ein Belohnungshormon. Das verstärkt unbewusst das Verhalten: Aufschieben = Erleichterung.

Langfristig aber entsteht ein Teufelskreis. Die Aufgaben wachsen, der Stress steigt, das negative Gefühl wird intensiver – was wiederum zum Meiden der Aufgabe führt. Untersuchungen zeigen, dass chronische Prokrastinierer teilweise veränderte Reaktionen auf Belohnung und höhere Impulsivität aufweisen.

Gibt es auch Vorteile des Aufschiebens?

Tatsächlich kann moderate Prokrastination mit kreativerem Denken zusammenhängen. Der Psychologe Adam Grant fand heraus: Wer Aufgaben nicht sofort erledigt, sondern ihnen etwas Zeit lässt, denkt länger darüber nach – dadurch entstehen oft innovativere Lösungen.

Und unter Druck treffen wir manchmal effizientere Entscheidungen. Wenn kaum noch Zeit bleibt, müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren – Details fallen weg, die Prioritätensetzung wird klarer.

Voraussetzung: Die Aufschieberei bleibt im Rahmen. Ausuferndes Prokrastinieren führt am Ende zu Panik, Schlafmangel und Qualitätseinbußen.

Funktionierende Strategien gegen Prokrastination

Wissenschaftlich belegte Methoden helfen, die Aufschieberitis in den Griff zu bekommen – hier einige erprobte Ansätze:

  • 2-Minuten-Regel: Wenn eine Aufgabe weniger als zwei Minuten dauert: Mach sie sofort. So sammelst du schnelle Erfolgserlebnisse und vermeidest unnötige geistige Blockaden.
  • Pomodoro-Technik: 25 Minuten konzentriert arbeiten, danach 5 Minuten Pause. Diese Methode nutzt unsere begrenzte Konzentrationsspanne sinnvoll aus – und belohnt mit festen Pausenzeiten.
  • Worst First: Erledige die unangenehmste Aufgabe zuerst. Morgens ist die mentale Energie am höchsten, und du vermeidest das ständige Grübeln über die „eine Sache“, die noch ansteht.
  • Belohnungsstrategie: Versprich dir eine konkrete Belohnung für eine konkrete Leistung. Wichtig: Die Belohnung folgt direkt auf die Anstrengung, nicht erst am Ende eines riesigen Projekts.
  • Identitätsbasierte Selbststeuerung: Statt dir zu sagen: „Ich muss schreiben“, sagst du dir: „Ich bin jemand, der schreibt.“ Menschen orientieren sich stark an ihrem Selbstbild – identitätsbezogene Formulierungen fördern konsistentes Verhalten.

Wann Prokrastination problematisch wird

Gelegentliches Aufschieben ist völlig normal. Wenn du jedoch regelmäßig unter den Folgen leidest – etwa im Job, im Studium oder privat – kann Prokrastination zu einem ernsten Problem werden.

Besonders kritisch wird es, wenn sie mit psychischen Belastungen wie Ängsten, Depressionen oder Aufmerksamkeitsproblemen einhergeht. In solchen Fällen ist der Gang zu einer Psychotherapeutin oder einem Coach dringend zu empfehlen – nicht aus Schwäche, sondern weil dauerhafte Veränderung Unterstützung braucht.

War da nicht auch Leonardo da Vinci?

Tatsächlich beschreiben mehrere Biografien den Renaissance-Künstler als chronischen Aufschieber. Die berühmte Mona Lisa arbeitete er über 16 Jahre lang immer wieder um. Ob das bloße Prokrastination war oder ein künstlerischer Prozess, bleibt offen – aber es zeigt: Selbst Genies kämpfen mit Zeitmanagement.

Gute Nachrichten: Dein Gehirn kann sich verändern

Die moderne Hirnforschung ist sich einig: Unser Gehirn ist plastisch – es kann sich verändern, neue Routinen lernen und alte Muster überwinden. Mit etwas Geduld und den richtigen Methoden ist es also möglich, aus dem Kreislauf des Aufschiebens auszubrechen.

Und selbst wenn du heute nur zehn Minuten lang eine Aufgabe anpackst, ist das schon ein Schritt. Es geht nicht darum, morgen ein neuer Mensch zu sein – sondern heute ein kleines Stück voranzukommen.

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