Du träumst von deiner verstorbenen Oma? Traumforscher erklären, was wirklich dahinter steckt

Warum träumen wir von Verstorbenen? Die überraschende Wissenschaft hinter unseren emotionalsten Träumen

Du wachst auf, das Herz klopft heftig. Gerade eben hast du mit deiner verstorbenen Oma gesprochen – sie hat gelächelt, dir Ratschläge gegeben, war einfach da. So real, dass du ihre Stimme noch hörst. Dann die Erkenntnis: Es war ein Traum. Aber war es nur ein Traum?

Falls du dich erkannt fühlst: Du bist nicht allein. In Studien berichten bis zu 85 % der trauernden Angehörigen, mindestens einmal von einem Verstorbenen geträumt zu haben. Besonders häufig passiert das in Phasen intensiver Emotionen wie nach einem Verlust, an Jahrestagen oder vor großen Entscheidungen.

Was passiert im Gehirn, wenn wir träumen?

Unser Gehirn ist im Schlaf keineswegs ausgeschaltet – im Gegenteil. Besonders in der REM-Phase (Rapid Eye Movement) arbeitet es intensiv. Diese Phase wird mit der Verarbeitung emotionaler Eindrücke und dem Verknüpfen von Erinnerungen in Verbindung gebracht.

Der renommierte Neurowissenschaftler Dr. Matthew Walker beschreibt Träume als eine Art „emotionale erste Hilfe“. Während wir schlafen, verarbeitet unser Gehirn emotionale Erlebnisse des Tages und entschärft belastende Gefühle – quasi in einer nächtlichen Selbsttherapie.

Wenn die Amygdala übernimmt

In dieser Phase ist die Amygdala – das emotionale Zentrum des Gehirns – hochaktiv. Gleichzeitig ist der präfrontale Kortex, der für rationales Denken verantwortlich ist, stark heruntergefahren. Dadurch folgen Träume nicht den Regeln der Logik, sondern der Gefühlsspur.

So ist es möglich, einem lange verstorbenen Menschen zu begegnen – und es fühlt sich völlig normal an.

Träume von Verstorbenen: Ausdruck innerer Prozesse

Traumforscher wie Dr. Joshua Black haben die Inhalte und Funktionen solcher Träume untersucht. In seinen Studien mit Trauernden identifizierte er wiederkehrende Muster, die Hinweise auf ihre Bedeutung geben können.

Vier häufige Formen von Verstorbenen-Träumen

  • Begegnungsträume: Die verstorbene Person erscheint friedlich, oft ohne viele Worte
  • Beratungsträume: Die Person gibt Trost oder Unterstützung bei Entscheidungen
  • Abschiedsträume: Der Traum ermöglicht einen symbolischen Abschied
  • Verarbeitungsträume: Es geht um klärende Gespräche, ungelöste Konflikte oder Schuldgefühle

Diese Träume entstehen häufig in psychisch belastenden Zeiten – sie reflektieren also innere Prozesse und sind selten zufälliger Natur.

Träume als Verlängerung des Wachlebens: Die Kontinuitätshypothese

Laut der Kontinuitätshypothese, geprägt vom Psychologen Calvin Hall, spiegeln Träume Inhalte unseres Alltags wider. Sie greifen auf vertraute Menschen, Sorgen oder ungelöste Themen zurück und versuchen, diese emotional weiterzuführen.

Die Harvard-Psychologin Dr. Deirdre Barrett beschreibt Träume als Raum, in dem das Unabgeschlossene noch einmal in neuer Form erlebt und bearbeitet werden kann – gerade bei der Trauer um einen geliebten Menschen.

Die Kraft fortgesetzter Bindungen

Lange Zeit galt „Loslassen“ als Ziel gesunder Trauer. Doch moderne Trauerforschung, insbesondere durch Professor Dennis Klass geprägt, zeigt einen anderen Weg: „Continuing Bonds“ – also andauernde, innere Verbindungen zu Verstorbenen – können helfen, mit Verlust umzugehen.

Träume sind dabei ein Schlüssel. Sie erlauben es, diese Verbindung symbolisch aufrechtzuerhalten – auf heilsame, nicht krankhafte Weise.

Kulturelle Unterschiede in der Deutung solcher Träume

Unsere westliche Gesellschaft tut sich oft schwer mit Träumen über Verstorbene – viele deuten sie als psychische Belastung oder Illusion. In anderen Kulturen dagegen gelten sie als normal oder gar bedeutungsvoll:

  • In Japan werden besuchende Träume als Kontakt mit der „anderen Seite“ – Mukōgawa – verstanden
  • In Mexiko steht der Día de los Muertos für die selbstverständliche Präsenz der Toten im Alltag
  • In vielen afrikanischen Kulturen sind Träume ein legitimer Kommunikationsweg mit den Ahnen

Von solchen Perspektiven können wir lernen – nämlich Träume nicht als Störung, sondern als Teil des seelischen Selbstheilungsprozesses zu sehen.

Warum solche Träume so real wirken

Dank moderner Neurowissenschaften kennen wir die Mechanismen hinter intensiven Traumerfahrungen. Während emotionaler Träume aktiviert das Gehirn dieselben Schaltkreise wie bei echten Gefühlen im Wachzustand – insbesondere die Amygdala und der Hippocampus.

Reale Gefühle in einem irrealen Raum

Wie die Traumforscherin Dr. Erin Wamsley erklärt, sind sensorische Hirnregionen im REM-Schlaf besonders stark aktiv. Deshalb können wir im Traum sehen, hören, fühlen – und alles so wahrnehmen, als sei es echt.

Die enge emotionale Verbindung zu einem Verstorbenen ist in unseren neuronalen Netzwerken gespeichert. Diese „inneren Spuren“ können im Traum wieder aktiviert werden – und lassen uns für Momente glauben, die geliebte Person sei wirklich anwesend.

Wenn Träume heilen – therapeutische Effekte erkennen

In mehreren qualitativen Studien berichten Menschen von wohltuenden Auswirkungen nach Träumen mit Verstorbenen. Sie fühlen sich getröstet, innerlich geklärt oder gestärkt in ihren Entscheidungen.

Drei häufige positive Effekte:

  • Trost: Das Gefühl, dass es dem Verstorbenen gut geht
  • Klärung: Verarbeitung offener Themen und verbliebener Fragen
  • Orientierung: Neue Impulse oder Richtungsweisung in schwierigen Zeiten

Diese positiven Träume werden in der Trauerberatung zunehmend als wichtige Ressourcen anerkannt – insbesondere, wenn sie offen reflektiert und in das eigene Leben integriert werden.

Die Schattenseite: belastende Träume und deren Ursachen

Doch nicht alle Träume sind tröstlich. Wenn die Beziehung zum Verstorbenen konflikthaft war, der Tod traumatisch oder Schuldgefühle bestehen, kann der nächtliche Besuch auch als Albtraum erlebt werden.

Mögliche Auslöser für belastende Trauminhalte:

  • Ungelöste emotionale Konflikte
  • Todesumstände, die als traumatisch erlebt wurden
  • Schuldgefühle oder Reue
  • Eine komplizierte oder blockierte Trauerverarbeitung

In solchen Fällen kann eine therapeutische Begleitung sinnvoll sein, etwa durch Methoden aus der Traumatherapie oder Schlafpsychologie.

Was kannst du tun, wenn du von Verstorbenen träumst?

Ob belebend oder belastend – Träume sind immer ein Spiegel des Inneren. Sie bewusst wahrzunehmen, kann helfen, besser mit ihnen umzugehen.

Bei angenehmen, heilsamen Träumen:

  • Traumtagebuch führen: Halte fest, was du gesehen und gefühlt hast
  • Dankbarkeit empfinden: Akzeptiere diese Träume als sinnvolle Erfahrung
  • Darüber sprechen: Der Austausch mit vertrauten Menschen kann stärkend wirken

Bei belastenden Träumen:

  • Abendliche Beruhigungsrituale: Atemübungen, Meditation oder Musik helfen beim Entspannen
  • Imagery Rehearsal Therapy: Stell dir tagsüber bewusst ein positives Ende des Traums vor – diese Technik kann sogar Albträume reduzieren
  • Hilfe annehmen: Professionelle Gesprächsangebote, z.B. bei Trauer- oder Traumatherapeuten, können unterstützend wirken

Die Zukunft der Traumforschung: zwischen Wissenschaft und Technik

Die Traumforschung entwickelt sich rasant weiter. Neue EEG-Verfahren und KI-gestützte Analysemethoden ermöglichen immer präzisere Einsichten in das, was wir träumen.

Gleichzeitig arbeiten Startups wie REMspace an Technologien zur Förderung des luziden Träumens – also bewusste Steuerung im Traum. Die Forschung steht noch am Anfang, doch es deutet sich an: Vielleicht können wir künftig gezielt heilsame Traumerlebnisse fördern.

Ein Blick in die Tiefe: Träume als Ausdruck der Seele

Träume von Verstorbenen sind mehr als bloße Hirnreaktionen. Sie sind ein intimes Fenster in unseren emotionalen Kosmos, ein Zeichen dafür, dass Trauer, Liebe und Erinnerung ihren Weg suchen.

Die Wissenschaft ist sich einig: Solche Träume sind häufig, bedeutsam und können psychisch entlastend wirken. Anstatt sie zu verdrängen, dürfen wir lernen, ihnen Raum zu geben – mit Respekt, Neugier und Achtsamkeit.

Vielleicht ist es ein stiller Trost, wenn du das nächste Mal von jemandem träumst, der nicht mehr da ist: Ein Teil von euch bleibt in Verbindung. Nicht im Außen – aber im Inneren. Und gerade dort zeigt sich oft die tiefste Wahrheit unserer menschlichen Erfahrung.

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